AVL und Telescopium
Da steht es nun, dieses etwas skurril wirkende Gestell aus Steinen, Balken, Seilen und vier eigenartig angeordneten Wagenrädern – die auch noch unterschiedlich groß sind. Da steht es am Ortseingang Lilienthals und so mancher fragt sich womöglich heute noch, was es eigentlich darstellen soll. Lilienthaler wissen natürlich, dass es sich um den historischen Teleskopnachbau von Johann Hieronymus Schroeter handelt, des großen "27-Füßers" aus dem Jahr 1793, der durch die Initiative von Klaus-Dieter Uhden im Jahr 2015 realisiert wurde.
Unsere Astronomische Vereinigung Lilienthal (AVL) ist im Jahr 2000 gegründet worden, um die Astronomie in Lilienthal wieder lebendig werden zu lassen. Sie sollte in erster Linie eine Gemeinschaft werden, die gemeinsam Astronomie entsprechend dem Stand der Wissenschaft betreibt. Aber eben auch um an die Zeit zu erinnern, die heute mehr als 200 Jahre zurückliegt. Von Anfang an war es deshalb ein Anliegen der Mitglieder, den Wiederaufbau des großen Teleskops zu fördern – und so wurde es auch in unsere Satzung geschrieben.
Es war seinerzeit das größte Fernrohr des europäischen Festlands. Das hört sich schon mal eindrucksvoll an – das aber ist es nicht allein. Die wissenschaftliche Welt Ende des 18. Jahrhunderts war in einem Umbruchsprozess. Noch endete das Universum mit dem derzeit letzten Planeten im Sonnensystem, dem Saturn. Die Entdeckung des Uranus im Jahr 1781 durch Wilhelm Herschel inspirierte die Astronomen. Zwar waren die Entfernungen der Planeten berechenbar geworden – Johannes Keppler hatte knapp 200 Jahre zuvor die Möglichkeit dazu geschaffen – doch waren die Dimensionen, in denen sich die Sterne und die vielen unbekannten nebligen Objekte befanden, vollkommen unbekannt. Das zu entschlüsseln, war das Ziel von Astronomen über die vorangegangenen Jahrhunderte und über Ländergrenzen hinweg. Und in Lilienthal wurde dafür ein Markstein gesetzt.
Würde man all die Orte in Europa auf einer Karte vermerken, in denen einmal grundlegende Erkenntnisse zum Verständnis der Welt gefunden wurden, so würde sich ein recht grobes Netz über den Kontinent spannen. Lilienthal würde aber einen dieser Knotenpunkte darstellen. Daran zu erinnern ist keine geringe Aufgabe. Klaus-Dieter Uhden hat sich für Lilienthal dafür eingesetzt, diese Erinnerung mit Leben zu füllen. Mit dem Telescopium steht in Lilienthal also nicht nur ein detailgetreuer Nachbau eines großen Fernrohrs, hier ist ein Ort, der über die Grenzen der Gemeinde hinaus Bedeutung erlangt hat. Die AVL hat sich von Anfang an dafür engagiert dieses Projekt mit Leben zu füllen und tut es bis heute.
Um den Betrieb des Teleskops auf festere Füße zu stellen, hat sich der Vorstand der AVL entschlossen, die bestehende Betreuergruppe in eine Arbeitsgruppe der AVL zu überführen. Eine Arbeitsgruppe, die sich regelmäßig trifft und sich dabei über alles austauscht, was für den Betrieb des Telescopiums relevant ist. Das Telescopium soll aber nicht das Alleinige sein, womit sich diese neue AG beschäftigen soll. Die Geschichte der Astronomie im Allgemeinen und die Geschichte der Astronomie in und um Lilienthal im Besonderen, sollen Themenbereiche sein, mit denen sich diese neue AG befassen wird. Wieweit sich jeder Einzelne einbringt, soll jedem selber überlassen sein. Wichtig sind das regelmäßige Treffen und der Erfahrungsaustausch. Vor allem soll damit ein Tor geöffnet werden, der es jedem leichter möglich macht, sich uns anzuschließen. Alle Interessierten in und um Lilienthal sind hiermit herzlich dazu eingeladen. Die spannende Geschichte der Astronomie mit Gleichgesinnten erlebbar zu machen, soll unser Anliegen sein. In Vorträgen und Aktionen sollen gewonnene Erkenntnisse schließlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Neue Mitglieder werden kontinuierlich von den bereits erfahrenen Mitgliedern eingearbeitet.
Die spannende Geschichte rund um diesen eindrucksvollen historischen Nachbau ist es Wert, lebendig erhalten zu bleiben.
Text: Gerald Willems, AVL Vorsitzender
Bilder und Video: Dr. Kai-Oliver Detken