NGC 6888, der Crescentnebel im Schwan
Es ist inzwischen Sommer geworden. Schon in der ersten Nachthälfte steigt jetzt das Band der Milchstraße in Richtung Zenit. Dabei ist die Region im Bereich des Schwans (Cygnus) besonders reich an großflächigen Nebelgebieten. Einige davon haben eine so große scheinbare Ausdehnung, dass sie sich nur mit entsprechend kleiner Brennweite beobachten lassen. Fast alle diese Nebelgebiete sind so genannte HII-Regionen, also Nebelgebiete, die besonders durch die Ionisation des Wasserstoffs Licht aussenden. Mitten in diesem Gebiet befindet sich ein Gasnebel, den man auf den ersten Blick ebenfalls zu diesen HII-Regionen zählen möchte, nämlich NGC 6888, der Crescentnebel. Bei diesem Objekt handelt es sich allerdings um eine besondere Spezies der galaktischen Gasnebel - NGC 6888 ist ein Wolf-Rayet-Nebel.
Bei einem Wolf-Rayet-Nebel müssen zwei Arten der Anregung unterschieden werden. Zum einen führt die starke UV-Strahlung des Zentralsterns zu der bekannten Ionisation, wie sie für H-Alpha-Regionen typisch ist. Zum anderen, und das ist der wesentliche Unterschied zu den gewöhnlichen H-Alpha-Regionen, werden von dem Zentralstern HD 192163 große Gasmassen abgestoßen und durch den enormen Strahlungsdruck des Sterns beschleunigt. Diese energiereichen Gasteilchen kollidieren jetzt mit den bereits verteilten Gasmassen. Bei ihrem Zusammenprall bilden sich Stoßfronten, das Gas wird dabei stark aufgeheizt. Diese zweite Anregungsart sorgt ebenfalls für Ionisation und Emission von Licht und sogar von Röntgenstrahlung. Der Sternenwind sorgt weiterhin dafür, dass das vor langer Zeit abgestoßene Material des Zentralsterns zusammen geschoben wird, dabei zunächst die typische Schalenstruktur bildet und schließlich in einzelne helle Klumpen zerreißt. Daher auch die filamentartige und wellenförmige Erscheinung des Nebelinneren.
Zur Aufnahme:
Der Crescentnebel ist in einige riesige Gasregion eingebettet, die große Teile der Cygnus-Region einnimmt. Die gezeigte Aufnahme macht diese umgebenden Wasserstoffgebiete deutlich. Um diese Regionen abbilden zu können, war es notwendig, mit verhältnismäßig kleiner Brennweite zu arbeiten. Optik war ein 80 mm ED-Refraktor. Die Brennweite von 600 mm wurde mit Hilfe eines so genannten Reducers auf 480 mm reduziert. Die dabei gewonnene Lichtstärke von f/6 kam dem Ergebnis wohltuend zugute. Als Kamera kam eine monochrome CCD-Kamera mit einem Sensor von 15,1 mm x 15,1 mm zum Einsatz. Um die Wasserstoffgebiete besonders deutlich zu machen wurde die so genannte Bi-Colortechnik eingesetzt. Dazu wurde ein 6 nm Ha-Filter und ein [O-III]-Filter mit 13 nm Halbwertsbreite verwendet. Der dritte Farbkanal wurde aus einer Differenz der beiden Aufnahmen gewonnen.
© Text und Foto: Gerald Willems (AVL)