M16, der Adlernebel in der Schlange
In den Monaten ab August ist es ein Erlebnis, von dunkler Region aus den Blick Richtung Zenit zu lenken und das leuchtende Band der Milchstraße zu verfolgen. Schon mit einem Feldstecher erkennen wir in diesen Bereichen zahlreiche Objekte, vor allem aber eine Unzahl von Sternen. Die Milchstraße, unsere Heimatgalaxie, ist angefüllt mit Objekten aller Art. Hier finden sich Sternhaufen, Planetarische Nebel und Galaktische Nebel in teilweise riesiger Ausdehnung. Besonders lohnenswert ist es, die südlichen Bereiche der Milchstraße mit dem Feldstecher abzusuchen. Wie nähern uns hier dem Zentrum der Galaxis und entsprechend dicht ist die Materie hier versammelt. Die kompakten, leuchtenden Gebiete sind hier nicht mehr zu übersehen. Eines dieser Objekte soll hier besprochen werden – Messier 16 der Adlernebel.
Wenn wir uns mit dem Adlernebel beschäftigen wollen, müssen wir uns zunächst um die Begrifflichkeit der Katalognummer "M16" auf der Messierliste kümmern. In der Regel verbinden wir mit dem Adlernebel diesen sechzehnten Eintrag in Messiers Liste nebliger Objekte. Bei "Messier 16" handelt es sich aber in erster Linie um einen offenen Sternhaufen junger Sterne, der 1745 bis 1746 von Philippe Loys de Chéseaux entdeckt wurde. Von den umgebenden nebligen Gebieten bemerkte Philippe Loys de Chéseaux offenbar nichts. Im NGC erhielt dieser Sternhaufen später die Nummer 6611. Im Juni 1764 fand Charles Messier, unabhängig von de Chéseaux, diesen Sternhaufen ebenfalls. Messier beschrieb, dass diese Sterne wie in einem Netz aus schwachem Glühen eingebettet wären. Wenn wir also nur den Adlernebel betrachten, können wir getrost Messier als seinen Entdecker ansehen. Auch die späteren Beobachtungen von Wilhelm und John Herrschel berichten wieder nur von einem Sternhaufen. Der Nebel selber wurde erst 1908 als IC 4703 in den NGC / IC aufgenommen.
Wie in ähnlichen Regionen sind die Vorgänge im Nebelgebiet sowie im Sternhaufen von besonderem Interesse für die Wissenschaft. Die gesamte Nebelregion ist ein Gebiet mit großer Sternentstehungsrate. Das dort vorhandene Gas und der zu beobachtende Staub waren zum Großteil der Urstoff für die außerordentlich starke Sternentstehung. Nicht nur der Sternhaufen NGC 6611 stammt aus dieser ersten Sternentstehungsphase, auch die aktuell stattfindenden neuen Sterngeburten sind auf die dichten Gas- und Staubmengen zurückzuführen. Dabei sind es diese jungen Sterne, die nun mit ihrer energiereichen Strahlung den noch vorhandenen Wasserstoff ionisieren und damit zum Leuchten anregen. Das Alter dieses jungen Sternhaufens wird mit etwa 1,2 bis 1,8 Millionen Jahren angegeben. Die energiereichsten Sterne in NGC 6611 sind vom Spektraltyp O und B, der hellste von ihnen leuchtet mit einer scheinbaren Helligkeit von 8,2 mag.
Sehr auffällig in dieser Region sind dunkle schlauchartige Gebilde. Es handelt sich um Staubformationen, die angetrieben durch Sternwinde sich in das Nebelgebiet hinein erstrecken. Innerhalb dieser dichten Materie kommt es zur Bildung junger Sterne, was diesen Gebilden den Namen „Säulen der Schöpfung“ eingebracht hat.
Die südliche Lage des Adlernebels macht die Beobachtung und Fotografie in unseren Breiten nicht gerade einfach. Meist bleibt nur ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum zur Beobachtung übrig. Die enorme Helligkeit der dortigen Objekte macht das Auffinden aber einfach und der Detailreichtum entschädigt für das Warten auf die richtige Dunkelheit. Denn in den Sommermonaten muss man schon bis Mitternacht ausharren, bis sich in den hellen Nächten genug Dunkelheit einstellt.
Die Aufnahme:
12"-Newton bei f/5,7
Kamera: Atik 16HR
H-Alpha: 14 x 6min
[O-III]: 6 x 5min bei 2x2-Binning
© Foto und Text: Gerald Willems (AVL)