Vor 40 Jahren: "Houston, we have a problem“

Vor 40 Jahren: „ Houston, we have a problem“

Eigentlich sollte Apollo 13 ja nur die dritte Landung auf dem Mond sein. Nachdem dieAmerikaner bereits zweimal auf dem Mond gelandet waren, sah die Öffentlichkeit einensolchen Flug inzwischen als Routine an, und die Medien reservierten dafür keine Sendezeit mehr im Fernsehen. Baseball ist schließlich viel interessanter! Die Astronautenan Bord von Apollo 13 hätten sich sicher gefreut, wenn ihr Flug tatsächlich so verlaufenwäre. Aber leider kam alles anders ...

Apollo 13 wurde am 11. April 1970 mit den drei Astronauten Jim Lovell, Fred Haise undJack Swigert von Cape Canveral gestartet. Zunächst ging alles gut. Am Abend des13.April fand eine Fernsehübertragung aus dem Raumschiff statt, die aber nur imKontrollzentrum in Houston empfangen wurde, da keiner der Fernsehsender Interessedaran hatte, zu senden, was die Astronauten auf dem Weg zum Mond berichteten. Die Familien der Astronauten mussten zum Kontrollzentrum fahren, um die Männer auf demBildschirm zu sehen.

Nach der Fernsehübertragung wurden die Astronauten angewiesen, die Wasser- und Sauerstofftanks im Servicemodul durchzurühren. Während dieser Prozedur entstand anden Heizstäben in Sauerstofftank Nummer 2 ein Funke, der dazu führte, dass der Tankexplodierte. Diese Explosion zerriss Sauerstoff- und Wasserstoffleitungen und elektrischeKabel im Servicemodul und zerstörte das Lebenserhaltungssystem der Kommandokapsel.

Die Astronauten hatten natürlich keine Ahnung, was sich im Servicemodul abspielte. Sie berichteten, dass sie kurz nach dem Umrühren der Tanks einen lauten Knall hörten unddas Raumschiff von einem heftigen Schlag erschüttert wurde. Gleichzeitig gingen Alarme los, die anzeigten, dass das elektrische System plötzlich einen drastischenSpannungsabfall zeigte und dass zwei der drei Brennstoffzellen ausgefallen waren.Außerdem stand die Druckanzeige für Sauerstofftank 2 plötzlich auf Null. Die Flugkontrolleure in Houston waren genauso überrascht wie die Astronauten. Sie sahen,dass die Telemetriedaten, die den Zustand von Kommandokapsel und Servicemodulanzeigten, auf einmal verrückt spielten. Von einem Moment zum anderen schien das Lebenserhaltungssystem der Kommandokapsel zusammengebrochen zu sein. Das war so unerklärlich, dass die Kontrolleure zunächst vermuteten, es handele sich um Fehler in der Datenübertragung.

Es stellte sich aber sehr schnell heraus, dass bei Apollo 13 etwas tatsächlich nicht inOrdnung war. Das elektrische System brach zusammen, der Sauerstoff von Tank 2 warverschwunden, und Sauerstofftank Nummer 1 leckte. Es war abzusehen, dass die Kommandokapsel in kürzester Zeit ohne Sauerstoff und Energie sein würde. Außerdem torkelte das Raumschiff und konnte nicht in eine stabile Lage gebracht werden. Kurz nach der Explosion warf Jim Lovell einen Blick aus dem Fenster und sah große Mengen Gas aus dem Servicemodul entweichen. Diese Beobachtung zerstörte auch die letzten Hoffnungen in Houston, es könnte sich bei den empfangenen Telemetriedaten um Übermittlungsfehler handeln.

Glücklicherweise ereignete sich die Explosion, bevor Apollo 13 am Mond angekommenwar. Die Mondlandefähre Aquarius war noch an die Kommandokapsel angekoppelt undkonnte als Rettungsboot verwendet werden. Als klar war, dass die Astronauten im Mutterschiff nicht überleben würden, stiegen Jim Lovell und Fred Haise in Aquarius umund aktivierten die Lebenserhaltungssysteme dort. Währenddessen blieb Jack Swigert inder Kommandokapsel zurück und schaltete alle Systeme ab, bevor er zu seinen Kollegenin die Landefähre hinüber schwebte.

Eines der ersten Manöver, die die Besatzung von Apollo 13 nach der Explosiondurchführen musste, war eine Korrektur ihrer Flugbahn. Wenn sie auf ihrem bisherigenKurs weiterflögen, würden sie die Erde verfehlen. Es war daher nötig, das Raumschiffauf eine sogenannte Freiflugbahn zu bringen, d.h. eine Bahn, bei der das Raumschiff denMond umrundet und dann direkt zurück zur Erde fliegt. Normalerweise wurde fürKurskorrekturen zwischen Erde und Mond das Triebwerk am Servicemodul verwendet. Das stand aber nun nicht zur Verfügung, und zum Einschuss von Apollo 13 in eineFreiflugbahn musste das Triebwerk in der Abstiegsstufe von Aquarius benutzt werden. Ein solches Manöver war vorher weder geplant noch erprobt worden. Trotzdem gelangdie Kurskorrektur auf Anhieb.

Die folgenden vier Tage verbrachten die drei Astronauten in der Landefähre, dieeigentlich nur für zwei Personen und zwei Tage ausgelegt war. Damit die Batterien biszur Landung durchhielten, mussten alle Systeme bis auf das Kommunikationssystem, dasKabinengebläse zur Umwälzung der Luft und die Pumpen der Kühlanlage (damit dieanderen beiden Systeme nicht überhitzten) abgeschaltet werden. Das hatte zur Folge, dasses sowohl in Aquarius als auch in der stillgelegten Kommandokapsel ungemütlich kaltwurde, das Essen gefror und Fred Haise sich eine Infektion zuzog.

Ein weiteres Problem war der Kohlendioxidgehalt der Atemluft. Die CO2-Filter in derLandefähre waren wie alles andere nur für zwei Leute für zwei Tage berechnet. Mit drei Personen würden die Filter lange vor der Rückkehr der Astronauten zur Erde gesättigtsein, und die Männer würden an ihrem ausgeatmetem CO2 ersticken. Nun hatte die Kommandokapsel auch Filter, um das CO2 aus der Luft zu filtern, aber die konnten nicht verwendet werden, weil das Mutterschiff stillgelegt war. Außerdem hatten sie eine andereForm als die Filter der Aquarius, so dass sie dort nicht einfach anstelle der gesättigten Filter eingesetzt werden konnten. Die Lösung des Problems war, einen Filter für die Kommandokapsel zu nehmen und ihn mit Hilfe von Papier, Pappe und Plastik soumzubauen, dass er in das Loch für die Filter in der Landefähre passte. Experten am Boden entwarfen eine solche Konstruktion und gaben den Astronauten Anweisungen, wie sie einen Filter modifizieren sollten. Es klappte vorzüglich, und den Bildern zufolgesah der umgebaute Filter in Aquarius genauso aus wie der Entwurf am Boden.

Da fast alle Systeme des Raumschiffes abgeschaltet waren, stand der Computer nicht zurVerfügung. Es stellte sich aber heraus, dass Apollo 13 während des Rückfluges zur Erde ein wenig vom Kurs abwich, so dass eine Korrektur notwendig wurde. Die Astronautenwaren gezwungen, die Landefähre von Hand und ohne die Hilfe des Computers zusteuern. Es gelang ihnen, Apollo 13 wieder genau auf Kurs zu bringen, wobei sie die Position der Erde im Fenster von Aquarius als Bezugspunkt verwendeten.

Am 17. April kehrten die drei Männer zur Erde zurück. Nachdem sie das toteServicemodul abgekoppelt hatten, sahen sie zum ersten Mal die Schäden, die die Explosion hervorgerufen hatte. In der Außenhaut klaffte ein riesiges Loch, eine Seite des Moduls war abgesprengt, und es hingen überall zerfetzte Kabel und Leitungen herum.

Zur Landung auf der Erde stiegen die Astronauten in die Kommandokapsel um. Die Mondlandefähre war ihr Rettungsboot für den Rückflug, aber da nur das Mutterschiffeinen Hitzeschild hat, mussten die Männer die Fähre abtrennen und die Kommandokapselbenutzen.

Nach der Explosion wusste niemand, ob sich die Kommandokapsel für die Landungwieder einschalten lassen würde. Außerdem würden die Batterien, die für die Zeit desWiedereintritts und der Landung, wenn das Servicemodul abgesprengt ist, vorgesehensind, nur sehr kurze Zeit halten. Daher musste innerhalb von wenigen Tagen ein ganzneues Verfahren zum Hochfahren der Kommandokapsel entwickelt werden.Glücklichweise gelang auch das, und die Astronauten landeten unversehrt im Pazifik.

Auch wenn Apollo 13 nicht auf dem Mond landen konnte, war es in gewisser Weise eineder erfolgreichsten Missionen der NASA. Nach der Explosion haben Experten allermöglichen Disziplinen innerhalb kürzester Zeit Verfahren ausgearbeitet, an die vorhernoch nie jemand jemand zu denken gewagt hatte. Und die Astronauten waren in derLage, diese Manöver nicht nur durchzuführen, sondern vor allem alles gleich beim erstenMal richtig zu machen. Flugdirektor Gene Kranz beschrieb die erfolgreiche Rückkehr derBesatzung von Apollo 13 als „NASA’s finest hour“.

Prof.Barbara Cunow, Pretoria, Südafrika

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