Neptuns erster Geburtstag
Am 12. Juli dieses Jahres gab es ein ungewöhnliches Jubiläum zu feiern. Am diesem Tagerreichte der Planet wieder genau die Stelle auf seiner Umlaufbahn um die Sonne, an derer sich befand, als er am 23. September 1846 von Johann Galle und Heinrich d’Arrest an der Berliner Sternwarte entdeckt wurde. Damit kann man den 12. Juli 2011 als erstenGeburstag des Neptun ansehen.
Die Entdeckung des fernen Planeten war ein ausgesprochener Krimi. Es begann damit,dass Uranus Schwierigkeiten machte. Er war 1781 entdeckt worden, wurde seitdem fleißig beobachtet, und die Astronomen hatten seine Umlaufbahn berechnet und seinePositionen am Himmel vorhergesagt. Es stellte sich aber heraus, dass Uranus nicht solief, wie man erwartete. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bewegte er sichschneller als vorhergesagt und befand sich weiter östlich als berechnet. Um das Jahr 1830 herum aber stimmte seine Position merkwürdigerweise mit der berechneten überein. Danach lief er langsamer als erwartet. Die einzige Erklärung für dieses komischeVerhalten war ein weiterer, bislang unbekannter Planet, der mit seiner Gravitation dieBewegung des Uranus beeinflusste. Also begannen die Astronomen zu rechnen.
Es gab mehrere Gruppen, die unabhängig voneinander versuchten, Masse, Umlaufbahnund Position des unbekannten Planeten zu bestimmen. In Frankreich gelang es Joseph LeVerrier, eine Vorhersage zu machen, wo der neue Planet zu finden sein müsste, in England war es John Adams. Die Ergebnisse der beiden Astronomen waren sehr ähnlich. Beide vermuteten den neuen Planeten im Sternbild Wassermann, wobei die Position, die Le Verrier errechnet hatte, etwa 3° westlich von der lag, die Adams bestimmt hatte. Einen unbekannten Planeten zu berechnen ist eine Sache, eine ganz andere ist es, ihn auch zu finden. An dieser Stelle kamen die Deutschen ins Spiel. Die Berliner Sternwarteerhielt am 23. September 1846 einen Brief von Le Verrier mit der von ihm berechneten Position des unbekannten Planeten. Der Astronom Johann Galle war begierig, nach demneuen Planeten zu suchen, und am selben Abend schon beobachtete er mit einem 9-Zoll-Refraktor das fragliche Gebiet im Wassermann. Er wurde dabei von seinem Assistenten Heinrich d’Arrest unterstützt, der die Anordnung der Objekte im Gesichtsfeld des Teleskops mit dem verglich, was auf der Sternkarte eingezeichnet war.
Ich weiß nicht, ob wir uns wirklich vorstellen können, wie das für die beiden Männer amAbend des 23. September war. Laut einem Artikel in Sky and Telescope im Juli 2011berichtet d’Arrest später, Galle sei am Teleskop gewesen und er (d’Arrest) hätte dieSternkarte des Gebietes vor sich gehabt. Galle hätte dann genau die Anordnung derSterne beschrieben, wie er sie im Teleskop sah, und d’Arrest hätte die entsprechendenSterne auf der Karte identifiziert. Aus einmal stießen sie auf ein Objekt 8. Größe, zu dem d’Arrest nur sagen konnte: „Dieser Stern ist nicht auf der Karte!“ Und damit hatten sieNeptun, nur etwa 1° von der Position entfernt, die Le Verrier berechnet hatte.
Nach der Entdeckung des Neptun stellte sich heraus, dass der Planet auch schon vor dem23. September 1846 gesehen worden war, nur hatte keiner der Beobachter bemerkt, waser da vor sich hatte. Wie aus seinen Aufzeichnungen hervorgeht, sah Galileo GalileiNeptun bereits im Jahr 1613, hielt ihn aber für einen Stern.
In diesem Jahr können wir selbst sehen, wo Neptun war, als er 1846 entdeckt wurde. Wie schon erwähnt, stand er am 12. Juli 2011 auf seiner Bahn um die Sonne an derselbenStelle wie am 23. September 1846. Da die Erde sich aber im Juli auf ihrer Bahn um dieSonne an einer anderen Stelle befindet als im September, sehen wir am 12. Juli Neptun einige Grad von seiner Entdeckungsposition entfernt. Wenn wir den Planeten aber am 27.Oktober beobachten, dann steht er genau da, wo ihn Johann Galle und Heinrich d’Arrest1846 fanden.
Prof.Barbara Cunow, Pretoria, Südafrika
