Nachruf: Kosmonaut Sigmund Jähn (1937-2019)
Am 21. September dieses Jahres starb Sigmund Jähn, der erste Deutsche im All, im Alter von 82 Jahren. Er wurde berühmt im Jahr 1978, als er als Kosmonaut der DDR eine Woche lang an Bord der sowjetischen Raumstation Saljut 6 wissenschaftliche Experimente durchführte.
Sigmund Jähn wurde am 13. Februar 1937 im sächsischen Morgenröthe-Rautenkranz geboren. Nach Beendigung der Schule absolvierte er zunächst eine Lehre zum Buchdrucker. Allerdings hatte er schon als Jugendlicher den Wunsch, fliegen zu lernen. Als er in den 1950er Jahren Soldat war, gelang es ihm, diesen Traum zu verwirklichen und zum Flugzeugführer bei den Luftstreitkräften der DDR ausgebildet zu werden.
Im Jahr 1976 wurden er und sein Kollege Eberhard Köllner ausgewählt, um im Sternenstädtchen bei Moskau zu Kosmonauten ausgebildet zu werden. Dieses Training erfolgte im Rahmen des sowjetischen Interkosmos-Programms, das zum Ziel hatte, Kosmonauten aus den damaligen sozialistischen Bruderländern zusammen mit sowjetischen Kosmonauten ins All fliegen zu lassen. Beide Männer durchliefen die gleiche Ausbildung und erst einige Tage vor dem Start wurde entschieden, wer fliegen und wer als Ersatzmann auf der Erde bleiben würde. Die Männer, die dann schließlich ins All flogen, waren Sigmund Jähn und sein sowjetischer Kommandant Waleri Bykowski.
Am 26. August 1978 war es dann soweit. Am Nachmittag deutscher Zeit starteten die beiden Kosmonauten mit dem Raumschiff Sojus 31 in Baikonur. In seinem Buch Erlebnis Weltraum beschreibt Sigmund Jähn, wie sie kurz nach Sonnenuntergang abhoben, dann aber aufgrund ihrer Höhe die Sonne noch einmal kurz über dem Westhorizont sehen konnten, bevor sie zum zweiten Mal unterging.
Nach 18 Erdumkreisungen koppelte Sojus 31 am 27. August an die Raumstation Saljut 6 an und die beiden Kosmonauten stiegen in die große Station um. Dort wurden sie von Wladimir Kowaljonok und Alexander Iwantschenkow, die zu diesem Zeitpunkt als Stammbesatzung auf Saljut 6 arbeiteten, herzlich begrüßt. Während der nächsten sechs Tage führte Sigmund Jähn zusammen mit seinen drei Kollegen ein umfangreiches Forschungsprogramm durch. Es umfasste die Gebiete Fernerkundung der Erde, Medizin, Biologie, Materialwissenschaften und Geophysik. Beispielsweise wurden mit der Multispektralkamera MKF 6M aus der DDR Aufnahmen der Erdoberfläche in verschiedenen Spektralbereichen gemacht, um Aussagen über Naturresourcen zu gewinnen. Andere Beispiele waren Untersuchungen des Herzens, der Durchblutung und der Sauerstoffversorgung des menschlichen Körpers in der Schwerelosigkeit. Zur Bestimmung seine seelischen Verfassung musste Sigmund Jähn mehrmals täglich ein bestimmtes deutsches Wort aussprechen, und zwar eines, das alle reinen Vokale enthält. Man wählte dafür das Wort "Zwosechsundzwanzig". In seinem Buch Erlebnis Weltraum schreibt der DDR-Kosmonaut, dass man auch das Wort Schokoladenpudding hätte nehmen können, das wäre genauso gut gewesen. Weitere Experimente umfassten die Beobachtung von Polarlichtern und ungewöhnlichen Wetterphänomenen.
Am 3. September kehrten Waleri Bykowski und Sigmund Jähn zur Erde zurück und landeten wohlbehalten in Kasachstan. Sie benutzten dazu das Raumschiff Sojus 29, mit dem Wladimir Kowaljonok und Alexander Iwantschenkow zu Saljut 6 geflogen waren, und ließen Sojus 31 an die Raumstation angekoppelt zurück. Um seine Dankbarkeit gegenüber allen auszudrücken, die ihm dieses unvergessliche Erlebnis ermöglicht hatten, schrieb Sigmund Jähn, nachdem er die Landekapsel verlassen hatte, die Worte "Herzlichen Dank" auf die Kapsel.
Nach seiner Rückkehr aus dem All wurde er Leiter des Zentrums für Kosmische Ausbildung in der DDR. Im Jahr 1983 promovierte er am Zentralinstitut für Physik der Erde in Potsdam über die Fernerkundung der Erde und erhielt den Titel Dr. rer. nat. Nach dem Zusammenbruch der DDR arbeitete er für die DLR und die ESA und unterstützte deutsche und europäische Astronauten bei ihrem Training, bis er im Jahr 2002 in den Ruhestand ging.
Ich hatte nie die Gelegenheit, Sigmund Jähn persönlich kennen zu lernen, aber den Berichten zufolge muss er ein sehr sympathischer und bescheidener Mensch gewesen sein. Er hinterlässt seine Frau Erika und zwei Töchter sowie Enkel und Urenkel.