Meteor über Russland
Am frühen Morgen des 15. Februar dieses Jahres schien alles in Ordnung zu sein. Der Asteroid 2012 DA14 befand sich auf dem Weg zu seinem extrem nahen Vorbeiflug an der Erde und wurde von Millionen Interessiertenerwartet. In Europa lagen die meisten Menschen noch im Bett und schliefen. Die russische Stadt Tscheljabinsk mit etwa einer Million Einwohner erlebte einen klaren und kalten Wintermorgen. Dies änderte sich schlagartig um 9.20 lokaler Zeit (4.20 MEZ), als über Tscheljabinsk ein Feuerball am Himmel auftauchte, der immer heller wurde und schließlich mit einer Explosion endete. Einige Minuten danach waren mehrere Donnerschläge zu hören, die mit so starken Druckwellen einhergingen, dass Fensterscheiben zerbarsten und Häuser beschädigt wurden. Etwa 1500 Personen wurden durch Glassplitter verletzt. Dieses Ereignis war die stärkste Explosion eines Himmelskörpers in der Erdatmosphäre seit dem Ereignis vonTunguska im Jahr 1908.
Was war passiert? Mit Hilfe der zahlreichen Bilder und Videoaufnahmen des Meteors war es möglich, zu rekonstruieren, woher das Objekt kam und wie schnell und wie groß es war. An dieserStelle ist es vielleicht sinnvoll, die Begriffe, die in diesem Zusammenhang nötig sind, zu klären.Ein Meteoroid (oder Meteorid) ist ein kleiner Gesteinsbrocken, der durch das Weltall fliegt. Wenn ein Meteoroid in die Erdatmosphäre eintritt, ist er so schnell, dass er und die umgebende Luft erhitzt werdenund aufglühen. Diese Leuchterscheinung nennt man das Meteor. Sehr helle Meteore werden auch als Feuerbälle bezeichnet, bei schwächeren Meteoren redet man von Sternschnuppen. Wenn Teile des Meteoroiden denFlug durch die Atmosphäre überstehenund am Erdboden ankommen, nennt man diese Überreste des Himmelskörpers Meteoriten.
Meteoroiden sind meistens nur so groß wie ein Sandkorn. Es gibt aber auch wesentlich größere Objekte. Gesteinsbrocken, die einen Durchmesser von mehreren Metern oder mehr haben, werden als Asteroiden bezeichnet. Allerdings ist die Grenze zwischen Meteoroiden und Asteroiden nicht genau festgelegt. Bei der NASA ist es üblich, die Objekte als Asteroidezu bezeichnen, die mit einem Teleskopgesehen werden können, bevor sie in die Erdatmosphäre eintreten. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Meteoroiden um Himmelskörper, die in die Erdatmosphäre eintreten, ohne dass man sie vorher gesehen hat.
Das erste, was beim Feuerball von Tscheljabinskauffiel, war seine extreme Helligkeit. Kurzzeitig erschien er heller als die Sonne, seine Maximalhelligkeit wird auf -28 mag geschätzt. Der Meteoroid trat in die Erdatmosphäre mit einer Geschwindigkeit von 18,6 km/s ein, was 60 Mach entspricht. Es bildetesich eine gigantische Schockwelle um den Himmelskörper herum, die Luft wurde auf mehrere Tausend Grad erhitztund verwandelte sich in ein glühendes Plasma. Das führte dazu, dass Teile des Meteoroiden verdampften. Dieses verdampfte Material wurde von der umgebenden Luft mitgerissen, und dadurch entstand einekondensstreifenartige Spur am Himmel, die auch nach dem Erlöschen des Meteors noch zu sehen war.
Man nimmt an, dass der Meteoroid einen Durchmesser von etwa 17 Metern hatteund eine Masse von 11000 Tonnen. Während des Fluges durch die Atmosphäre wurde er durch die Hitze und den Druck der umgebenden Luft auseinandergerissen. Es zerplatztein 23 km Höhe, und seine Überreste verteilten sich auf eine Fläche von Hunderten von Quadratkilometern. Die Bruchstücke des Meteoroiden wurden von der Luft so stark abgebremst, dass die meisten von ihnen einfach auf den Boden fielen, so als hätte man sie aus großer Höhe abgeworfen. Daher gibt es auch keinen auffallenden Krater. Es wird aber vermutet, dass es sich bei einem Loch von 6 Metern Durchmesser, das in der Eisdecke eines Sees 70 km westlich von Tscheljabinsk entdeckt wurde, um eine Einschlagstelle eines der größeren Bruchstücke handeln könnte.
Bei den Explosionen, die man am Boden hörte,und den Erschütterungen, die zu den Schäden in den Gebäuden führten, handelte es sich um die Druckwellen, die sich in der Luft bildeten, als das Objekt mit Überschallgeschwindigkeit durch unsere Atmosphäre raste. Mit anderen Worten, die Schäden in Tscheljabinsk und die Verletzungen der Einwohner sind auf den Überschallknall des Meteoroiden zurückzuführen, nicht durch die Einschläge von Bruchstücken. Zwei Fragen wurden sehr bald nach dem Meteor von Tscheljabinsk gestellt: 1) Gab es einen Zusammenhang zwischen diesem Ereignis und dem Asteroiden 2012 DA14? 2) Konnte man dasnicht vorhersagen? Die Antworten lauten Nein und Nein. Die Flugbahnen des Meteoroiden und des Asteroiden waren bzw. sind vollkommen unterschiedlich. Die Umlaufbahn von 2012 DA14 um die Sonne ist der Erdumlaufbahn sehr ähnlich, was erklärt, dass dieses Objekt uns so nahe gekommen ist. Im Gegensatz dazu war die Umlaufbahn des Meteoroiden stark elliptisch, der sonnenfernste Punkt befand sich im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Wir hatten nur das Pech, dass die Erde zufällig im Weg stand, als der Meteoroid die Erdbahn kreuzte.
Darüber hinaus ergab sich, dass der Meteoroid etwa sechs Wochen, bevor er die Erde erreichte, den sonnennächsten Punkt seiner Bahn in der Nähe der Venusbahn durchlief. Er nähertesich der Erde vonder Sonne her und stand für uns am Taghimmel. Bei seiner Größe und Geschwindigkeit hätte auch das beste Himmelsüberwachungsprogramm, das es heute gibt und das Objekte bis zu einer Helligkeit von +24 mag aufspüren kann, den Meteoroiden erst etwazwei Stunden vor dem Eintritt in die Erdatmosphäre entdecken können, und auch nur dann, wenn er auf der Nachtseite der Erde zu sehen gewesen wäre. Also war es unmöglich, die Ankunft des Meteoroiden vorherzusagen.
Wann wird der nächste Meteoroid dieser Größe oder größer die Erde treffen? Wir wissen es nicht. Es wird aber ständig an der Verbesserung der Geräte zur Himmelsüberwachung gearbeitet, und sowohl das Meteor über Russland als auch der Asteroid 2012 DA14 haben das Interesse an diesen Dingen neu belebt.
Prof.Barbara Cunow, Pretoria, Südafrika