Entdeckung von Proxima Centauri vor 100 Jahren
Südafrika hat viel zu bieten. Landschaftlich, kulturell und vor allem astronomisch. Aufgrund der fantastischen Beobachtungsbedingungen des südlichen Sternhimmels hat die Astronomie in Südafrika eine lange Tradition mit vielen Höhepunkten. Einer davon ist die Entdeckung von Proxima Centauri, des uns nach der Sonne nächstgelegenen Sterns. Gefundenwurde er im Jahr 1915 von Robert Innes, der zu der Zeit als Direktor am Union Observatory in Johannesburg tätig war.
Es ist ziemlich leicht, die Position eines Objekts am Himmel zu messen, aber dieBestimmung seines Abstands von der Erdeist sehr viel schwieriger. Erst im 19. Jahrhundert wurdees möglich, die Entfernung von Sternen zu ermitteln, und zwar mit Hilfe der Parallaxe.Die erste Parallaxenmessung überhauptgelang Thomas Henderson am Royal Observatory am Kap der Guten Hoffnung. Er bestimmte die Parallaxe von α Centauri, einem der hellsten Sterne am Südhimmel. Allerdings dauerte es mehrere Jahre, bis seine Ergebnisse veröffentlicht wurden, was dazu führte, dass er vonFriedrich Wilhelm Bessel überholtwurde. Im Jahr 1838 gab Bessel das Ergebnis seiner Messungen der Parallaxe von 61 Cygnibekannt, die Ergebnisse von Henderson für α Centauriwurden erst 1839 veröffentlicht. Bessels Zahlenwurden von den damaligen Astronomen als sehr zuverlässig angesehen, wohingegen Zweifel an der Genauigkeit von Hendersons Messungenbestanden. Daher wird Bessel oft als derjenige angesehen, der als erster eine Fixsternparallaxe bestimmt hat, obwohl dasnicht ganz gerechtfertigt ist. Aber wie dem auch sei –um das Jahr 1840 herum hatte man zum ersten Mal Informationen zur Entfernung von Objekten außerhalb des Sonnensystems.
Wie hat man damals Sterne ausgewählt, für die man eine Parallaxe bestimmen wollte? Man wollte natürlich Sterne vermessen, die möglichst nahe sind, so dass man die besten Chancen hat, ein brauchbares Ergebnis zu erzielen.Gute Kandidaten für nahe Sterne sind solche, die hell sind und eine große Eigenbewegungaufweisen. Sowohl α Centaurials auch 61 Cygnisind solche Kandidaten, und ihre Bewegung am Himmel war damals bereits bekannt.
Nach 1840 wurden natürlich die Parallaxen von immer mehr Sternen ermittelt. Man stellte dabei fest, dass α Centauridas Objektmitder größten Parallaxe ist und damitder außerhalb des Sonnensystems nächstgelegene Stern. Seine Entfernung wurde zu etwas mehr als vier Lichtjahre bestimmt.Ich sollte vielleicht noch darauf hinweisen, dass es sich bei α Centauri um einen Doppelstern handelt. Der Hauptstern ist der Sonne ziemlich ähnlich, der Begleiter ist ein wenig schwächer. Die beiden Komponenten umkreisen einander einmal in 79,9 Jahren, wobei ihr Abstand voneinander zwischen 11,2 Astronomischen Einheiten (AE)und 35,2 AE schwankt.
Nun kommen wir zum Jahr 1915. In diesemJahr entdeckte Robert Innes am Union Observatory in Johannesburg einen schwachen Stern in der Nähe von α Centaurimit einer großen Eigenbewegung, d.h. er war wahrscheinlich sehr nah. Außerdem war seine Eigenbewegung der von α Centauri in Richtung und Größe sehr ähnlich. Daraus ergab sich die Frage, ob dieser Stern vielleicht zu α Centaurigehört und ihn sogarumkreist? Die Entfernung zu diesem neuen Objekt musste daher unbedingt ermittelt werden.
In den folgenden Jahren wurden die Parallaxen von α Centauriund dem neuentdeckten Stern wiederholt gemessen. Die gefundenen Parallaxen derbeiden Objekte waren immer sehr ähnlich, wobei aber die desneuenSternsbei allen Messungen etwas größer waralsdie von α Centauri. Das würde bedeuten, dass derneuentdeckteSternuns ein wenig näher ist als α Centauri. Daher schlug Robert Innes vor, den neuen Stern Proxima zu nennen, was Nächstgelegenerbedeutet. Daher also der Name Proxima Centaurifür diesen Stern.
Nun war die Geschichte mit den ersten Messungen der Parallaxen von Proxima Centauri noch nicht zuende. Zur Zeit von Innes bewegte sich der Messfehler einer Parallaxenbestimmung in derselben Größenordnung wie der Unterschied zwischen den Parallaxen von Proxima und α Centauri. Daher konnte man genaugenommen noch gar nicht sicher sagen, dass Proxima der Sonne näher istals α Centauri.
Das änderte sich erst in den letzten Jahrzehnten, als die Parallaxenmessungen immer genauer wurden. Die besten Ergebnisse, die wir heute haben, stammen vom Hipparcos-Satelliten,und sie beweisen eindeutig, dass Proxima tatsächlich der Sonne ein wenig näher ist als α Centauri. Proxima ist 4,2 Lichtjahre von uns entfernt, wohingegen die Entfernung zu α Centauri 4,4 Lichtjahre beträgt.
Der Unterschied in den Entfernungen von nur 0,2 Lichtjahren und die Tatsache, dass die beiden Sterne am Himmel nur 2⁰13’ auseinanderliegen, zeigen, dass Proxima und α Centauri auch räumlich nahe beieinander sind. Sie sind nur etwa 3 Lichtmonate bzw. 15000 AE voneinander entfernt. Außerdem bewegen siesich mit derselben Geschwindigkeit und in dieselbe Richtung durch den Raum. Das bringt uns wieder zu der Frage, ob sie einander umkreisen. Oder bewegen sie sich nur gemeinsam durch das Weltall?Die Antwort lautet: Wir wissen es (noch) nicht. Die Daten zur Bewegung der beiden Objekte, die wir bisher haben,lassen eine Beantwortung dieser Frage nicht zu.
Als letzte Frage bleibt, ob Proxima wirklich der uns außerhalb des Sonnensystems nächstgelegene Stern ist oder obes vielleicht Sterne gibt, die uns näher sind als Proxima.Bisher wurde keiner entdeckt. Es ist aber unwahrscheinlich, dasses einen normalen Stern gibt mit einer kleineren Entfernung als 4,2 Lichtjahre. Derwäre nämlich inzwischen gefunden worden. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich in unserer unmittelbaren Nähe sehr schwache Objekte wie z.B. Braune Zwerge befinden, die bisher in keinem Datensatz aufgetaucht sind.
In den letzten Jahren hat man aber mithilfe der Hipparcos-Daten Sterne identifiziert, die sich so bewegen, dass sie uns entweder früher mal näher gewesen sind als Proxima oder uns in der Zukunft näher sein werden. Interessant ist auch die erst kürzliche Entdeckung eines sehr schwachen Sterns, der die Sonne vor etwa 70000 Jahren in einer Entfernung von 0,75 Lichtjahren passiert haben muss. Dieses Objekt hat nur eine sehr geringe Eigenbewegung, aber es bewegt sich mit einer rasenden Geschwindigkeit von uns weg.
Prof.Barbara Cunow, Pretoria, Südafrika