Am 21. Mai wollte die AVL eigentlich zu ihrer Vereinsreise in die Schweiz aufbrechen, die seit letztem Jahr schon geplant war und wegen der zu geringen Beteiligung von November 2016 in den Mai 2017 geschoben wurde. Die Hoffnung der Organisatoren Alexander Alin und meiner Wenigkeit erfüllten sich aber nicht. Es kamen zwar neue Interessenten hinzu, dafür mussten aber andere Teilnehmer aus Zeitgründen wiederum absagen. Trotzdem kamen wir nun auf 15 Interessenten, so dass die Anzahl aus dem November klar übertroffen wurde. Als es dann jedoch konkreter wurde, sprangen weitere Mitglieder ab, so dass aus der ursprünglichen Interessensgruppe noch sieben übrig blieben. Als dies bekannt wurde, schrumpfte die Gruppe erneut. Da man mit vier Mitgliedern kaum noch von einer Gruppe sprechen kann, wurde die geplante Vereinsreise damit zum zweiten Mal abgesagt. Aufgrund der bereits vorgenommenen Planungen und der sehr interessanten Tour-Stationen beschlossen allerdings meine Frau und ich die Reise trotzdem anzutreten. Es kam daher zu einer Vereinsreise 0.2 - also quasi ohne Verein.
Als erstes Stand ein Besuch beim CERN (http://www.home.cern), der Europäischen Organisation für Kernforschung, auf dem Programm. Gebucht waren wir ursprünglich als eigene Gruppe, was aber aufgrund der Absagen nicht mehr möglich war. Eine Anmeldung über die Webseite ist nur zwei Wochen vorher möglich und meistens sehr schnell vergriffen, weshalb wir uns über meinen Kontakt beim CERN einer gymnasialen Frankfurter Schulklasse aus dem Physik Leistungskurs anschlossen. Wir wurden von Klaus Batzner geführt – einem Teilchenphysiker der alten Schule, der bereits seit 15 Jahren pensioniert war, aber immer noch für das CERN tätig ist. Er hätte sich mit unserem Wilhelm Schrader sicherlich hervorragend verstanden. Mit ihm gingen wir zu unserem Bus und fuhren auf die französische Seite zur ersten Station - dem CERN Control Center (CCC).
Dort sollten wir im Auditorium erst einmal einen Einführungsvortrag von ihm bekommen, der den Aufbau des CERN erklärte und welche wichtigen Grundlagenforschungsarbeiten bisher durchgeführt wurden. Nach dem Vortrag wurden anhand von kleinen Videos und Modellen der Aufbau der Teilchenbeschleuniger und deren Funktionen erläutert. Als die Vorführung abgeschlossen war, wurde die Videoleinwand transparent geschaltet und man konnte den Kontrollraum direkt erkennen. Dort waren diverse Monitore aufgebaut, die von verschiedenen Teams betreut werden. Da der Betrieb des Teilchenbeschleunigers 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche stattfindet, ist hier rund um die Uhr Betrieb.
Danach ging es zur zweiten Station "Cryogenic Test Facility", bei der uns zusätzlich Professor Madjid Boutemeur aus Algerien erwartete, der uns in englischer Sprache weitere Erläuterungen zum LHC-Aufbau gab. In der Laborhalle waren dann auch verschiedene Experimente zu erkennen, wenn auch nicht aktiv daran gearbeitet wurde. Zusätzlich waren u.a. Röhren-Teile für einen Teilchenbeschleuniger für die USA (Chicago) aufgebahrt, die auf den Versand warteten. Für die Besucher wurde an einzelnen Demonstratoren gezeigt, wie der LHC aufgebaut ist.
Nachdem sich unser Guide am Ende der Führung von uns verabschiedet hatte, wurden noch die Teilchenausstellung im Empfangsgebäude und der Globus der Wissenschaft und Innovation besichtigt. In der Teilchenausstellung konnten die zuvor gewonnenen Kenntnisse noch einmal nachgelesen bzw. erlebt werden, da auch multimediale Präsentationen dazugehören.
Anschließend ging es weiter nach Bern, um dort das Einstein-Haus und die Zytglogge zu besichtigen. Beides befindet sich in der Kramgasse, die ältestes Hauptstraße Berns. Sie ist im Mittelalter-Ambiente erhalten und bietet einen fast barocken Baustil an. Das Einstein-Haus (http://www.einstein-bern.ch) liegt recht unscheinbar einige hundert Meter von der Zytglogge entfernt. Hier hat Einstein vor und während seiner Zeit als Angestellter des Patentamts mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen unter recht beengten Verhältnissen gewohnt. Das Einstein-Haus ist im ersten Obergeschoss im Original erhalten geblieben und bietet einige Fotos von Einstein an den Wänden. Im zweiten Geschoss ist eine Ausstellung enthalten, die sein Schaffen in Bern und darüber hinaus bis in die 1920er Jahre zeigt. Ein Videofilm verdeutlicht die wesentlichen Stationen seines Lebens von der Geburt bis zum Tod in drei verschiedenen Sprachen. Ein wirklich lohnender Besuch, wenn man sich gerne mit Einstein beschäftigt und an seinem Wirken interessiert ist.
Anschließend wurde die gebuchte Besichtigung der Zytglogge (http://www.zytglogge-bern.ch) wahrgenommen. Diese Turmuhr ist sehr eindrucksvoll und heute das Wahrzeichen der Stadt. Sie wurde bereits im Mittelalter von dem Waffenschmied Kaspar Brunner im Jahr 1530 erbaut, um die Zeit sowie astronomische Ereignisse anzuzeigen. Das Uhrwerk ist dabei sehr präzise und muss nur alle zwei Wochen etwas nachgestellt werden. Es werden auf der einen Seite die Uhrzeit, aber auch die Monate, die aktuell sichtbaren Sternbilder und die Mondphasen angezeigt. Besonders interessant ist die Anzeige der astronomischen Daten, die bei der Zytglogge mit berücksichtigt wurde. Die Astrolabiumsuhr bildet dazu den Himmel und Horizont in stereographischer Projektion aus dem Nordpol des Himmels ab. Es gilt hier noch das geozentrische Weltbild, da alle Gestirne des Himmels um die Erde kreisen. Sie stellt daher ein für die damalige Zeit recht genaues astronomisches Instrument dar, welches den sich drehenden Himmel sehr gut nachbilden konnte. Hier wurde mechanisch ein exaktes Uhrwerk aufgebaut und das zu einer Zeit, als man noch glaubte die Erde wäre eine Scheibe - sehr beeindruckend!
Auf der letzten Etappe ging es nach Zürich. Hier sollte nach ursprünglicher Planung die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) besucht werden, die ein interessantes Programm im Institut für Astronomie für uns ausgearbeitet hatte. So sollte es zuerst einen Gang zum Studierenden-Teleskop geben sowie einen Besuch in zwei Laboren mit Erklärungen zu High Contrast Imaging. Abschließend war ein Vortrag über den aktuellen Stand der Exoplaneten-Forschung angedacht. So hatte sich der Fachbereich große Mühe gemacht, um der AVL ein 3-stündiges-Programm auszuarbeiten. Dies musste aber leider abgesagt werden, weil wir ja leider keine Gruppe mehr zusammen bekommen hatten. Und für zwei Personen wäre der Aufwand einfach nicht berechtigt gewesen. Das Institut bedauerte den Ausfall ebenfalls sehr und würde sich über einen späteren Besuch in jedem Fall freuen.
Zürich besitzt zudem auch mitten in der Stadt eine sehr schöne Volkssternwarte, die Urania (http://www.urania-sternwarte.ch) genannt wird. Aufgrund der Stadtnähe ist hier natürlich heute keine ernsthafte Beobachtung mehr möglich. Die Volkssternwarte hat sich zum Ziel gesetzt dem interessierten Laien die Kenntnisse der Astronomie näher zu bringen und ihm die Möglichkeit zu bieten, selbst durch ein Fernrohr zu blicken. Damit ähnelt sie der AVL in ihrer Ausrichtung. In diesem Monat stand Jupiter mit seinen Monden auf dem Programm, was auch in einer Stadtsternwarte trotz Lichtverschmutzung noch möglich ist. Leider war die Sternwarte am Donnerstag geschlossen, da Himmelfahrt auch in der Schweiz als Feiertag gilt. Es war trotzdem imposant sie wenigstens von außen betrachten zu können.
Einen ausführlichen Bericht wird es in der Vereinszeitschrift HiPo, Heft 51 geben. Hier wurden nur kurz die Höhepunkte der Reise beschrieben, die wirklich viel für das astronomische Herz geboten hat.
Text und Bilder: Dr. Kai-Oliver Detken