Kleine AVL-Delegation nahm an der 32. BoHeTa in Bochum teil
Zur Bochumer Herbsttagung (BoHeTa) 2013 luden Peter Riepe und sein Organisationsteam alle interessierten Sternfreunde auch in diesem Jahr wieder ein. Im Hörsaal HMA 10 der medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum begann um 10 Uhr ein Programm mit abwechslungsreichen Vorträgen von Amateuren für Amateure. Zusätzlich gab es den Reiff-Vortrag zur Förderung der Zusammenarbeit von Fach- und Amateurastronomen. Die Bochumer Herbsttagung (http://www.boheta.de) wird seit 1980 von der Astronomischen Arbeitsgemeinschaft Bochum mit wissenschaftlicher Begleitung durch das Astronomische Institut der Ruhr-Universität Bochum veranstaltet. Eine kleine Delegation der AVL nahm auch dieses Jahr wieder teil und die Anreise auf sich.
Die Veranstaltung fing an mit dem Vortrag "vom Halbwissen zur Begeisterung – Erfahrungen mit Einsteigern in der Astronomie". Hier wurde referiert, wie man Anfängern den Einstieg ermöglicht und den Sternenhimmel näherbringen kann. Dabei müssen unterschiedliche Hürden gemeistert werden. Grundsätzlich muss der Teilnehmer ein Grundinteresse an der Natur mitbringen; ein eigener Forschergeist ist in jedem Fall zweckdienlich. Problematisch ist es teilweise, dass sehr unterschiedlicher Wissensstand (vom absoluten Anfänger, zu Wiedereinsteigern, zu Amateurastronomen bis hin zu Sonderfällen) vorhanden ist. Leider existiert dabei eine Menge Halbwissen, da in der Schule Astronomie heutzutage ein Mangelfach ist. Hinzu kommen normale Hürden in der Astronomie, wie die Wetterlage oder die Lichtverschmutzung in den Städten. Visuelle Beobachtung der Highlights (z.B. Saturn) und praktisches Begreifen der eigenen Ausrüstung wirken aber bei den meisten Teilnehmern dauerhaft nach.
Obwohl Halloween gerade vorbei war, standen Geisterbilder in Teleskop anschließend auf der Tagesordnung. Diese können z.B. durch Sonnenreflexionen entstehen. Man kann zwar auch versuchen die Reflexionen als positiven Effekt zu nutzen, was aber nicht jedermanns Geschmack ist. Besonders hässlich sind aber solche Reflexionen im Teleskop. Diese werden u.a. durch die Spiegelung des Bildsensors ausgelöst. Man kompensiert dies, indem die Geisterbilder herausgerechnet werden, da die entstehenden Schatten ca. 50.000fach geringer sind als das Originalbild. Früher gab es mit Geisterbildern weniger Probleme, da u.a. kleinere Teleskope, unempfindlichere Bildchips und weniger tiefe Aufnahmen verwendet wurden. Aber auch Filter können Probleme machen (Mehrfachbeschichtung). Daher ist unbedingt bei der Bildauswertung auf Geisterbilder zu achten.
Dass man als Amateur auch Forschung betreiben kann wurde im Thema "Planetenfotografie im Methanband" präsentiert. Mit Methanfiltern für die DMK-CCD-Kameras des Bremer Herstellers TIS kann daher sogar die Physik der Planeten untersucht werden, da das Methanband die Erkennung von neuen Strukturen auf der Oberfläche ermöglicht. Zusätzlich kann man Methanfilter auch zur Seeing-Verbesserung nutzen. So wurde u.a. der Mond Thebe vom Jupiter auf einer Aufnahme nachgewiesen, was bisher noch keinem Hobbyastronom gelungen war (Thebe war in den 1970er Jahren erst von den Voyager-Raumsonden entdeckt worden). Auch konnte der Ring von Uranus in einem mehrjährigen Projekt (u.a. 80 cm Öffnung, 16 Bit Kamera, rauscharmer/gekühlter Chip, Methanfilter, Opposition des Planeten notwendig) nachgewiesen werden. Ausführlichere Informationen können vom Autor unter http://www.astrode.de/boheta13a.htm nachgelesen werden.
Von der Sonnenfinsternis (SoFi) in Australien vom November 2012 berichtete ein Reisebericht, der auch andere Bilder der Landschaft zeigte. Zudem wurden schöne Sommermilchstraßenaufnahmen aus dem Zentrum von Australien gemacht und Meteoritenkrater besucht. Zur SoFi ging es dann nach Cairns - die Kleinstadt, die auch von den AVL-Mitgliedern Jürgen Ruddek, Alexander Alin und meine Wenigkeit aufgesucht wurde. Cairns hatte zu diesem Zeitpunkt mehrere Tage vor der SoFi schlechtes Wetter. Zusätzlich gab es eine bessere Wahrscheinlichkeit für gutes Wetter im Landesinneren. Viele Strandbeobachter haben daher nur Wolken gesehen und die Totalität verpasst, was auch Alexander Alin und ich am eigenen Leib erfahren haben. Der Vortragende fuhr aber ins Landesinnere und erlebte die gesamten Phasen ohne Wolkenbedeckung. Am Straßenrand standen in einzelnen Haltebuchten überall weitere Beobachter. Es wurde eine wunderschöne Videoanimation von der SoFi erstellt, die unter http://www.sky-in-motion.de direkt angesehen werden können. Ein Blick auf die Aufnahmen lohnen sich auf jeden Fall.
Die Radioastronomie auf dem Stockert wurde ebenfalls dargestellt. Hier steht die weltweit größte Radio-Astronomie-Anlage, die von Amateuren betrieben wird. Die Anlage war vor dem Radioteleskop Effelsberg im wissenschaftlichen Betrieb, welches ebenfalls nur 20 km entfernt steht und nach wie vor heute wissenschaftlich betrieben wird. Seit 2010 ist auf dem Stockert durch Amateure wieder ein regelmäßiger Betrieb aufgenommen worden. Der Vorteil zur normalen Astronomie: Radioastronomie kann zu jeder Tages- und Wetterlage betrieben werden. Viele offene Fragen in der Radioastronomie (z.B. wurde 40 Jahre lang nach Pulsaren geforscht; aber diese sind bis heute immer noch nicht komplett verstanden) halten dieses Gebiet auch interessant, auch wenn man nicht mit spektakulären Bildern glänzen kann. Das Radioteleskop auf dem Stockert wird heute u.a. von den Mitgliedern des Vereins, Promotionsanwärtern sowie "Jugend forscht" verwendet. Die Technik wurde inzwischen komplett überholt, so dass man auch aktuelle Forschung nach wie vor betreiben kann.
Dass es zwischen den Profis und den Amateuren zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit kommen kann, machte auch der Vortrag "Highlife auf dem Sternenfriedhof" deutlich. Hier gibt es eine sehr enge Kooperation mit einem benachbarten Amateurastronom in Potsdam, der offene Fragen der Astronomie (z.B.: ist das Modell der magnetischen Bremse korrekt?) mit untersucht und seinen Beitrag dazu leistet. Diese Zusammenarbeit hatte sich aus nur einer gemeinsamen Beobachtungsnacht ergeben, die einmal im Potsdamer Observatorium verlost wurde. Inzwischen hat der Hobbyastronom seine eigene Sternwarte aufgebaut bzw. in sein Haus integriert. So entstanden sogar gemeinsame Forschungsberichte. Am Ende machte der Referent noch darauf aufmerksam, dass wir alle unter der Lichtverschmutzung inzwischen leiden, so dass eine nächtliche Beobachtung kaum noch möglich ist. Unter http://www.verlustdernacht.de werden in einem BMBF-Projekt die Auswirkungen untersucht. Eine App für Android-Smartphones zur Messung der Nachthimmelshelligkeit ist ebenfalls entwickelt worden. Dabei wurde hier um Beteiligung gebeten, um verschiedenste Werte aus unterschiedlichen Orten erhalten zu können.
Galaktische Zirruswolken, die sich ähnlich zu Dunkelwolken verhalten, standen danach auf dem Programm. Hierfür sind extreme lange Belichtungszeiten notwendig, um diese überhaupt nachzuweisen zu können. So entstand das berühmte Galaxien-Bild vom Hubble Space Telescope (HST), dass unzählige Galaxien zeigt, extra in einem "Loch" des Galaktischen Zirrus (absolut schwarzen Bereich), da mehrere Wochen Belichtungszeit genutzt werden mussten. Und das, obwohl die Untersuchungen zum Galaktischen Zirrus inzwischen komplett von Amateuren übernommen wurde. Daher ist dieses Phänomen immer noch nicht ausreichend beschrieben worden. Dabei sollte eigentlich auch die historisch korrekte Benennung "Hagensche Wolken" eingesetzt werden, da bereits William Herschel im Grunde genommen den galaktischen Zirrus entdeckt und dokumentiert hat. Er fand immerhin 52 Regionen, die diffuse Nebelregionen aufwiesen. Der Referent hat sich dabei die Mühe gemacht und eine dieser Region visuell aufgesucht, um die gleichen Erfahrungen zu machen. Auch er konnte visuell galaktische Zirruswolken in der Region wahrnehmen, die schon Herschel beschrieb. Auch andere Astronomen (u.a. Hagen) haben dieses Phänomen später beschrieben. Umso verwunderlicher ist laut Referent, dass sich bisher niemand wirklich wissenschaftlich damit auseinandergesetzt hat.
Auch eine "Jugend forscht" Arbeit wurde sehr professionell präsentiert, die sich mit dem Sternensystem 51 Pegasi auseinandergesetzt hat. In diesem Sternensystem wurde der erste Exoplanet entdeckt, weshalb dieses System willkürlich ausgesucht wurde. Neben eigenen Spektren-Aufnahmen und Auswertungen wurden auch eigene Berechnungen und Ableitungen vorgenommen, vor denen man nur den "Hut ziehen" konnte.
Eher praktische Astronomie wurde durch den Bau einer begehbaren Horizontsternwarte betrieben, die neben einem Observatorium entstand. Den Namen "SkyPole" und die Idee ließ man sich den auch gleich im Anschluss patentieren. Ziel war es, den Himmel sich erlaufen und Himmelsobjekte sofort auffinden zu können. Dies wurde relativ einfach mit einer Teleskopstange und diversen Terrassenplatten realisiert. Dadurch lassen sich nun Beobachtung von Satelliten oder aktueller Objekte durchführen. Auch können Planeten am Tag "beobachtet" werden oder das Auffinden der "schmalen Mondsichel" wird nun einfacher ermöglicht.
Am Ende eines langen Vortragtages stand das Thema "Polarlichter" noch auf der Agenda. Dabei wurde erst einmal auf die Entstehung eingegangen, da beispielsweise die Ausrichtung des Sonnenwindes für Polarlichter entscheidend ist. Auch der 11-Jahre-Zyklus der Sonne wurde erwähnt, der zwar gerade ein Sonnenmaximum beinhaltet, was aber momentan sehr gering ausfällt. Um auf dem aktuellsten Stand kontinuierlich zu bleiben wurden verschiedene Webseiten empfohlen. So zeigt beispielsweise die Webseite http://sdo.gsfc.nasa.gov kontinuierliche aktuelle Sonnenbilder, während die Seite http://www.meteoros.de/polar/polwarn.htm aktuelle Warnmeldungen herausgibt, wenn Polarlichter entstehen könnten. So werden die Vorhersagen für Polarlichter immer weiter perfektioniert. Der Abschluss bildeten Polarlichterbilder über den Lofoten, die auch im Zeitraffer dargestellt wurden.
Nach der Tagung machte sich die AVL-Delegation wieder auf die Heimreise. Die vielen Eindrücke mussten noch während der Rückfahrt verarbeitet werden. Alle waren sich aber einig, dass zwar nicht jeder Vortrag spannend, aber für jeden Teilnehmer etwas dabei war.
Autor und Fotos: Dr. Kai-Oliver Detken