37. BoHeTa mit dem Motto Remote-Sternwarten & Gammastrahlen-Pulsare

Die Bochumer Herbsttagung (BoHeTa) fand erneut an der Ruhr-Universität Bochum Anfang November statt. Es wurde dabei wieder ein interessanter Mix aus Reiseberichten, Anwendererfahrungen und aktueller Forschung vermittelt. Inzwischen hat die BoHeTa überregional Aufmerksamkeit erregt, da sie zusätzlich im Deutschlandfunk vorgestellt wurde. Als thematische Schwerpunkte ließen sich Remote-Sternwarten und Gammastrahlen-Pulsare ausmachen.

Den Anfang machte die Remote-Astronomie von Stefan Korth, der im Rheinland wohnt und unter starker wie er es nennt Lichtverseuchung zu kämpfen hat. Daher entdeckte er die Remote-Astronomie von iTelescope.net für sich, bei der man hochwertige Ausrüstung in großer Auswahl mieten kann. Der Betreiber besitzt vier Standorte weltweit, so dass auch Bilder von der Südhalbkugel (Australien) möglich sind. Die Bedienung wird über entsprechende Eingabemasken mittels Browser vorgenommen. Trotzdem kann es auch hier Probleme geben, die vom Wetter über die Auslastung der Geräte bis hin zu technischen Schwierigkeiten gehen können. 

Der Reisebericht des anschließenden Vortrags wurde Rainer Sparenberg gehalten, der gerne Astro-Exkursionen unternimmt und dabei immer wieder hervorragende Bilder erstellt. Das war auch dieses Mal nicht anders, als über Island und Norwegen berichtete. Das Thema kann man sich bei diesen Ländern natürlich leicht vorstellen: Polarlichter. Für eine solche Reise sollte kurz nach Vollmond als Startzeitpunkt eingeplant werden. Ein lichtstarkes Objektiv mit Blende 1,4 ist ebenso zu empfehlen sowie ein Stativ und Fernsteuerung der Kamera für die Aufnahmen. Dann sind Kurzbelichtungen von 2-5 Sekunden bei ISO-Empfindlichkeit von 6400 ASA möglich, die das Polarlicht fast in Echtzeit einfangen. Selbst Panoramaaufnahmen lassen sich in ruhigen Phasen belichten, wie eindrucksvoll gezeigt werden konnte.

Im Anschluss daran ging es wieder um Remote-Sternwarten. Dieses Mal berichtete Dr. Franz-Josef Hambsch, der in Belgien lebt, über seine Arbeiten, die er unter dem Titel Remote Observatory Atacama Desert (ROAD) zusammenfasst. Er kam über sog. Pretty Pictures zur wissenschaftlichen Betrachtung seiner fotografierten Himmelsobjekte, was durch einen Gammastrahlenausbruch im Jahr 2003 ausgelöst wurde. Seitdem interessiert er sich speziell für die Beobachtung veränderlicher Sterne. Auf der Suche nach einer Remote-Sternwarte, wurde er in der Atacama-Wüste in Chile bei SPACEOBS fündig. Hier können diverse Teleskope geliehen werden, die auf hochwertigen ASA-Montierungen stehen, und rund 320 Nächte pro Jahr zum Einsatz kommen können. Der Referent nutzt diese Chance ausgiebig und steuert ca. 50 Sterne pro Nacht an. Im Vortrag wurden sowohl Bilder, als u.a. auch wissenschaftliche Arbeiten zu Weißen Zwergen und Zombie-Sternen vorgestellt. Zuletzt zog eine sehr detaillierte Zeitreihenanalyse eines Sterns große Aufmerksamkeit auf sich, wodurch der Referent inzwischen sogar zu Konferenzen der Profiastronomen eingeladen wird.

Dazu passte der Vortrag von Peter Bresseler, der einem Vierfach-Quasar auf der Spur war. Im Februar diesen Jahres wurde ein Objekt J014709+463037 im Sternbild Andromeda beobachtet, welches von Pan-STARRS (Panoramic Survey Telescope And Rapid Response System) auf Hawaii entdeckt wurde. Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um einen Quasar handelte (Spitzname: Andromedas Fallschirm), der eine Entfernung von 11 Mrd. Lichtjahren besitzt! Das zog auch die Aufmerksamkeit des Referenten auf sich, weshalb Fachartikel gelesen und weitere Recherchen angestellt wurden. Mit dem eigenen Equipment wurde der Vierfachquasar nun ebenfalls abgelichtet. Im Bild ließen sich Strukturen erkennen, so dass eine Veröffentlichung in "Sterne und Weltraum" diesen Erfolg noch einmal krönte. Damit konnte Bresseler nachweisen, dass selbst solche Herausforderungen von Hobby-Astronomen bewältigt werden können.

Wie man hingegen wesentlich nähere Objekte wie den Mond hochauflösend aufnehmen kann, berichtete Rolf Hempel. Dafür wurde ein eigenes Programm entwickelt, welches den Namen MoonPanoramaMaker besitzt. Ziel war es, die maximale Auflösung des verwendeten Teleskops zu erreichen, indem Panorama-Bilder automatisiert angefertigt werden. Dabei sind schnelle CMOS-Kameras die beste Alternative für Lucky Imaging. Um eine gewisse Automatisierung bei Panoramaaufnahmen zu ermöglichen, wurde daher MoonPanoramaMaker geschrieben, das eng mit FireCapture zusammenarbeitet, und den Mond schrittweise abfährt. Bei den Aufnahmen muss die Kamera allerdings zuerst auf den Äquator des Mondes ausgerichtet werden, um die hohe astrometrische Genauigkeit der Panorama-Software zu unterstützen. 

Passend zur Mondfotografie wurde im nächsten Vortrag von Wolfgang Bischof die Frage geklärt, wie groß Aldebaran wirklich ist. Dies kann man nämlich am besten durch eine Sternbedeckung am Mond berechnen. Dadurch lässt sich die Lichtkurve bei der Bedeckung exakt aufnehmen und auswerten. Anhand der Lichtkurve und der Einbeziehung der Interferenz-Ungenauigkeit konnten 0,019 statt 0,020 Bogensekunden ausgemacht werden. Somit konnte der bekannte Größenwert von Aldebaran erfolgreich korrigiert werden.

Dr. Uwe Trulson entführte dann die Teilnehmer nach La Palma, da er dort den Aufbau einer Amateursternwarte plant. Hier stellt ein Gesetz zur Lichtverschmutzung sicher, dass das Seeing auch zukünftig gut sein wird. Ein Grundstückskauf wurde in der Nähe von Puntagorda in 1.600 m Höhe an einem alten Weingut durchgeführt. Die dort nun entstehende Sternwarte soll PATECAS (Paraíso Astronómico TElescope Cluster for Amateurs and Science) heißen und befindet sich noch im Aufbau. Im Clusterverbund sind mehrere Teleskope geplant, die der ambitionierte Amateur dort selbst aufstellen und betreiben kann. 

Danach wurde der Reiff-Preis für Amateur- und Schularbeiten vergeben, was gekonnt von Dr. Carolin Liefke moderiert wurde. So wurde der Sternenpark Rhön e.V. aufgrund seines Kampfes gegen die Lichtverschmutzung ausgezeichnet. Das Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium Lienz in Österreich wurde ebenfalls mit einem Preis bedacht, wodurch man die praktische Astronomie ausbauen wird. Des Weiteren wurden zwei erste Plätze an das Einstein-Gymnasium Neuenhagen und das Bischöfliches Gymnasium Josephinum Hildesheim vergeben, da die Jury sich nicht einigen konnte. Beide wollen mit den Geldern jeweils in eine eigne Sternwarte und Montierung investieren.

Nach einer größeren Kaffeepause gab es den Vortrag des Profi-Astronom Prof. Dr. Michael Kramer vom Max Planck Institut für Radioastronomie in Bonn, der von Neutronensternen bis zu Gravitationswellen berichtete. Er behandelte folgende Fragestellung: wie entwickelt sich das Universum und wie können die Theorien von Einstein interpretiert werden? Hier gibt es noch offene Fragen hinsichtlich dunkler Materie und dunkler Energie. Daher wird oft diskutiert, ob Einsteins Theorien wirklich das letzte Verständnis darstellen. Bisher wurden aber alle Theorien nachgewiesen - zuletzt anhand von Gravitationswellen. Das Laser Interferometer Gravitational Wave Observatory (LIGO) hat in diesem Jahr zum ersten Mal deren Existenz durch eine erfolgreiche Messung bestätigt. Zwei Schwarze Löcher wurden gemessen, die mit drei Sonnenmassen in Form einer Gravitationswelle abstrahlten. Dies wurde im Vortrag sogar akustisch dargestellt.

Der Anschlussvortrag von Hans-Peter Tobler knüpfte daran an, indem er über die Entdeckung von Gammastrahlen-Pulsaren berichtete. Die dafür notwendigen Daten stellt der Satellit Fermi Gamma-ray Space Telescope (FGST) zur Verfügung. Aus diesen "Big Data" wird versucht über BOINC, das größte Computer Grid der Erde, das aus einem Zusammenschluss von 690.000 Rechnern besteht, eine Blindsuche nach den richtigen Daten vorzunehmen. Dies wird über die Software Einstein@Home ermöglicht, die über BOINC auf eine Rechenleistung von 5,5 Peta Flops zurückgreifen kann. Jeder kann dabei seinen Rechner dem Computer Grid zur Verfügung stellen und dabei helfen weitere Pulsare zu finden. Auch Tobler war bereits dabei erfolgreich.

Im vorletzten Vortrag kam es zu einer Premiere: zum ersten Mal gab es einen geschichtlichen Vortrag, der von Winfried Berberich gehalten wurde, welcher Sternkarten im Vergleich vom frühen Mittelalter bis Argelander verglich. So kam der erste exakte Sternatlas von Johannes Bayer auf Basis vermessener Daten erst 1603 zustande.

In der abschließenden Präsentation von Kai Wicker (Astronomische Vereinigung Lilienthal) wurde der Fragestellung nachgegangen, ob es überhaupt realistische Astrofotos gibt. So besitzt eine modifizierte DSLR-Kamera zwar eine erheblich größere Empfindlichkeit, als eine nicht modifizierte Kamera, da sie Rotanteile (Wasserstoff) klarer herausstellt. Aber die realistischere Abbildung erzeugt eigentlich die nicht modifizierte Kamera. Der Einsatz von Schmalbandverfahren verschärft diese Problematik noch! Hinzu kommt der jeweilige Arbeitsablauf des Hobby-Astronomen, um aus dem Deep-Sky-Foto die meisten Einzelheiten herauszuholen. Dadurch kann eine unrealistische Darstellung entstehen. Als Fazit konnte festgestellt werden, dass eine Farbkalibrierung möglichst immer durchzuführen ist und die Astrophysik immer mit berücksichtigt werden sollte.

Die BoHeTa bot wieder viele interessante Neuigkeiten und hatte ein geballtes Programm zu bieten, welches sich bis 19 Uhr abends erstreckte und von den Veranstaltern wie gewohnt souverän moderiert wurde. Der nächste Termin der BoHeTa steht daher wieder fest und wurde bereits bei der Einführung bekanntgegeben: es wird Samstag, der 09. November 2019 sein.

Text: Dr. Kai-Oliver Detken

Bilder: Jürgen Adamczak, Dr. Kai-Oliver Detken

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